Im Blickpunkt| 21.12.2018

Roboter-System Da Vinci®

UNIVERSALGENIE ODER KOSTENTREIBER ?
Das Spital Limmattal legt bei der roboterunterstützten Chirurgie einen pragmatischen Umgang an den Tag: Eingesetzt wird der Operationsroboter Da Vinci da, wo sinnvoll, zudem teilt man sich das kostenintensive OP-System mit anderen Spitälern. Ein Modell, das schweizweit Schule machen könnte.
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von Flavian Cajacob

Was ihre Verbreitung anbelangt, so nimmt die Schweiz auf dem Gebiet der roboterunterstützten Chirurgie eine Spitzenposition ein. Nirgendwo auf der Welt ist die Dichte an Operationsrobotern höher als hierzulande: Auf 260 000 Einwohner kommt ein Roboter. Zum Vergleich: In Deutschland ist es ein Roboter auf 720 000 Einwohner.

Keine Science-Fiction

Auch am Spital Limmattal, das sich gegenüber medizinischen und technologischen Neuerungen seit jeher aufgeschlossen zeigt, wird mit dem System Da Vinci operiert. Und dies bereits seit knapp fünf Jahren, wie Prof. Dr. med. Urs Zingg, Leiter Ärztliches Departement I und Mitglied der Spitalleitung, erklärt. "Da die Urologie seit jeher zu den typischen Einsatzgebieten des Operationsroboters zählt, erfolgten die Eingriffe primär in diesem Bereich. Seit 2017 setzen wir aber auch in der Viszeralchirurgie auf den Da Vinci-Roboter."

Roboter – das klingt nach autonom handelnder Technologie, nach künstlicher Intelligenz und Science-Fiction. PD Dr. med. Alexander Müller, Chefarzt Urologie am Spital Limmattal, winkt ab. Er schätzt das ausgeklügelte Roboter-System zwar, betont aber gleichzeitig, dass die Handlungshoheit stets und vollumfänglich beim Operateur, also dem jeweiligen Arzt oder der jeweiligen Ärztin an der Bedienkonsole, liegt. Als typische "Roboteroperation" streicht PD Dr. Müller die vollumfängliche Entfernung der Prostata bei einer Krebserkrankung sowie die organerhaltende Tumorchirurgie bei Nierenkrebs hervor. Diese Organe liegen tief im Körperinneren und sind von vielen Nerven und Gefässen umgeben, so dass bei der Präparation allerhöchste Präzision erforderlich ist – "und die kann der Da Vinci gewährleisten", so Müller. Ziel sei, wann immer möglich und sinnvoll, die Erhaltung der Kontinenz und der Potenz bei der Prostata sowie des Organs selbst bei der Niere.

Viele Vorteile

Einst für die US-Armee entwickelt (siehe Infobox rechts oben im PDF-Dokument), ermöglicht der Da Vinci äusserst präzise und minimalinvasive Eingriffe. Bei der Operation sitzt der Chirurg an einer Steuerkonsole. Über die Bedienelemente befehligt er mit Daumen und Mittelfinger die Arme des Roboters und die mikrochirurgischen Instrumente. Über sechs Fusspedale werden elektrochirurgische Instrumente sowie die Kamera bedient. "Die Ermüdung ist für den Operateur am Roboter letztlich geringer, als wenn die Operation von Hand im Stehen vorgenommen wird", betont Prof. Dr. Urs Zingg. Das Gerät, an dem die Instrumentenarme sowie eine endoskopische Kamera installiert sind, steht direkt beim Patienten. Die Kamera mit digitalem Zoom liefert dreidimensionale, bis zehnfach vergrösserte Bilder. Selbst feinste Strukturen wie Nerven und Gefässe werden detailliert dargestellt. Gleichzeitig eliminiert die Technik auch kleinste Zitterbewegungen der Hand.

Immer wieder gerät der Platzhirsch Da Vinci in die Schlagzeilen. Sei es aufgrund neuer Studien, wonach die roboterunterstützte Chirurgie im Endeffekt – also bei den Heilungschancen – nicht wesentlich besser abschneidet als konventionell durchgeführte Eingriffe; sei es angesichts der hohen Anschaffungs- und Unterhaltskosten. Rund 1,7 Millionen Franken kostet das Hightech-Teil, hinzu kommen Servicekosten von jährlich rund 150 000 Franken und gut 2 000 Franken pro Operation für spezielle Instrumente. Durch den Wegfall einzelner Patentrechte wird das bisherige Monopol der Da Vinci-Erfinderin Intuitive Surgical zwar langsam, aber sicher gebrochen. Bis entsprechende Konkurrenzprodukte imstande sein werden, auf gleichem Niveau wie der Branchenprimus zu operieren, dürften indes noch einige Jahre vergehen.

Volle Auslastung – geringere Kosten

Was die Kosten anbelangt, so hat das Spital Limmattal einen Weg eingeschlagen, der schweizweit wohl Schule macht. Denn das "Limmi" verfügt über keinen eigenen Operationsroboter, sondern teilt sich diesen mit den Zürcher Spitälern Männedorf und Uroviva Klinik Bülach sowie der Klinik Seeschau am Bodensee. Durchschnittlich während einer Woche pro Monat wird am Spital Limmattal mit dem Da Vinci-Roboter operiert. Dank diesem "Joint Venture" ist bei optimaler Auslastung eine Reduktion von Anschaffungs- und Unterhaltskosten gewährleistet. 2018 wurden in Schlieren monatlich im Durchschnitt zwölf Operationen mit dem Da Vinci durchgeführt – je sechs in den Bereichen Urologie und Viszeralchirurgie. 2019 wird der Roboter deutlich häufiger im Spital Limmattal sein, einerseits der steigenden Fallzahlen in der Urologie und Chirurgie wegen, andererseits, um den Patienten kurze Wartezeiten zu gewährleisten.

Bei den Patienten sei die Akzeptanz der roboterunterstützten Chirurgie im Übrigen sehr hoch, betont PD Dr. Alexander Müller, der Urologie-Chef. "Gerade Männer, die sich einer Prostataoperation unterziehen müssen, wissen häufig sehr genau Bescheid darüber, was der Da Vinci kann und was nicht." Dennoch müsse er immer mal wieder vor übertriebenen Erwartungen warnen. "Der Roboter ist kein Heilmittel. Er ist in erster Linie ein Werkzeug, das richtig eingesetzt sehr viele Vorteile mit sich bringt." Für den Patienten bedeutet dies in erster Linie: Weniger Blutverlust, weniger Schmerzen, kürzere Rekonvaleszenz und damit kürzere Hospitalisation. Den Entscheid, ob konventionell oder mit dem Da Vinci operiert wird, fällen Arzt und Patient gemeinsam. "Niemand wird gezwungen, sich einem roboterunterstützten Eingriff zu unterziehen", stellt Prof. Dr. Urs Zingg klar. Ganz oben auf der Argumentationsliste steht neben der Patientensicherheit und allfälligen medizinischen Vorteilen auch die Verhältnismässigkeit: "Wo es Sinn macht, wird die Möglichkeit einer Roboter-OP in Betracht gezogen, wo nicht, verzichten wir ganz bewusst darauf."

"Der Roboter ist kein Heilmittel. Er ist in erster Linie ein Werkzeug, das richtig eingesetzt sehr viele Vorteile mit sich bringt."

Der Mensch steuert nach wie vor

Die Wahrung der Verhältnismässigkeit ist für die Herren Zingg und Müller ungemein wichtig, wenn es um den Einsatz zukunftsträchtiger Technologien wie den Da Vinci- Operationsroboter geht. "Wir leben in einer spannenden Zeit, vieles scheint machbar, in Zukunft werden Roboter vielleicht tatsächlich einmal in der Lage sein, Operationen selbständig durchzuführen", hält Zingg fest. Bis es jedoch so weit sei, sei die Technologie als Hilfestellung zu erachten – als Werkzeug in Händen des Menschen.

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