Auf Visite| 08.07.2019

Andrea Studer

VIELSEITIGKEIT IM ATELIER DES TAGESZENTRUMS

Im Tageszentrum (TZ) des Spitals Limmattal dürfen und müssen die Dinge etwas anders laufen als im restlichen Spital. Andrea Studer traf sich mit uns zum Gespräch über bittersüsse Momente, die Dynamik in ihrem Arbeitsalltag und die Vielseitigkeit ihrer Aufgaben.

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Wer sind Sie?

(lacht) Was soll ich sagen: Das versuche ich jeden Tag aufs Neue herauszufinden.

Wo wurden Sie geboren?

Ich wurde hier in der Schweiz geboren. Meine Eltern lebten damals in Kamerun. Sie kamen nur für meine Geburt in die Schweiz. So lebte ich zuerst in Kamerun, danach in Saudi-Arabien. Mein Vater hat im Ausland gearbeitet, meine Mutter war in ihrer Kindheit auch schon im Ausland wohnhaft. Sie mochten diesen Lebensstil.

Dann haben Sie grosse Teile ihrer Kindheit im Ausland verbracht…

Nicht grosse Teile, aber einen Teil davon. Den Kindergarten habe ich in Saudi- Arabien und in Wipkingen, in der Stadt Zürich, besucht, die Schule dann in Stäfa.

Haben Sie Heimweh oder Sehnsüchte?

Das würde ich so nicht sagen. Die Auslandaufenthalte sind schon sehr lange her und ich habe daran ganz normale Kindheitserinnerungen. Allerdings weiss ich noch, wie meine Mutter sagte: "Jetzt gehen wir wieder nach Hause", sie meinte zurück in die Schweiz. Damit konnte ich nichts anfangen.

Was ist Ihre Aufgabe im TZ?

Ich bin Kunsttherapeutin. Aber nicht nur: Ich bin zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen auch zuständig für die Herstellung der Marktprodukte, die Gestaltung eines abwechslungsreichen und sinnstiftenden Angebots von Aktivitäten, mache mit den Besuchern einen Spaziergang, gebe Essen ein und helfe überall mit, wo gerade Hilfe benötigt wird.

Was fasziniert Sie an Ihrer Tätigkeit im TZ?

Das TZ ist eine tolle und wertvolle Ergänzung zum restlichen Angebot des Spitals und des Pflegezentrums (PZ). Herkunft und Alter unserer Besucher sind sehr unterschiedlich. Sie kommen zu uns, wenn sie tagsüber Betreuung brauchen oder eine soziale Struktur benötigen. Wir entlasten pflegende Angehörige und schaffen ein geselliges und – dank unserer Angebote – auch sinnerfülltes Miteinander. Wir begleiten die verschiedensten Menschen ein Stück weit auf ihrem Weg. Das ist eine dankbare und spannende Aufgabe.

Als Kunsttherapeutin: Worin sehen Sie Ihren Beitrag in dieser Art von Betreuung?

Ich möchte eines vorwegschicken: "Alles kann und nichts muss", wie man so schön sagt. Die Teilnahme an der Kunsttherapie basiert auf Freiwilligkeit, wir zwingen niemanden, daran teilzunehmen. Ausserdem gebe ich kein Urteil ab zu den Resultaten. Ich sage nie Dinge, wie zum Beispiel: "Das ist aber schön geworden" oder "Das Grün müsste etwas dunkler sein".

Aber ein Lob in einer schwierigen Lebenssituation motiviert doch?

Darin sehe ich nicht die Aufgabe der Kunsttherapie. Das Resultat auf dem Papier ist nicht entscheidend. Viel wichtiger ist der Weg dahin. Der Prozess ist weit offen und ohne Vorgaben – also kann am Ende auch nicht etwas richtig oder falsch sein. Ob auf diesem Weg etwas aus- oder eine Blockade gelöst wird, ob neue Erkenntnisse auftauchen oder die Therapie einfach ein Zeitvertreib ist: Kein Effekt ist besser oder schlechter als der andere. Das ist das Besondere, darin sehe ich meinen Beitrag.

Wollten Sie schon immer im sozialen Bereich arbeiten? Als Kunsttherapeutin?

Ganz zu Beginn nicht. Ich habe nach der Sekundarschule am Liceo Artistico in Zürich studiert und bin danach nach Rom gezogen. Der Liebe wegen? Oder der Liebe zu Italien wegen? In Italien habe ich mich immer wohlgefühlt, ich weiss nicht mehr, was zuerst war (lacht). Auf jeden Fall bin ich dorthin gezogen und habe vier Jahre Modedesign studiert.

Die Modewelt vermochte mich jedoch nicht lange zu begeistern. Ich wollte etwas "Sinnvolleres" machen und so führte mich mein Weg über Arno-Stern-Mal-Seminare und das Pflegeheim Sonnweid in Wetzikon hierhin nach Schlieren, ins TZ des Limmi.

Nun sind viele Ihrer Kolleginnen und Kollegen bereits in den Neubau gezogen: Sind Sie neidisch?

Nein, im Gegenteil. Einerseits, weil das Pflegezentrum (und somit auch das TZ) ja auch bald einen Neubau erhält. Ich glaube, 2023 ist er fertig. Andererseits finde ich meine jetzige Situation hier super. Ich habe mein eigenes Atelier, in dem fünf Leute gleichzeitig arbeiten können. Das ist mein eigenes kleines Revier, mein persönlicher Luxus bei der Arbeit. Ich kann die Türe schliessen und die Besucher können in Ruhe an ihren Kunstwerken arbeiten.

Und welches sind Ihre schönen, welches Ihre weniger schönen Momente?

Oft beinhalten die Momente, die ich erlebe, ein wenig von beidem. Eine Besucherin beispielsweise, die erst ein paar Tage zuvor ihren Ehemann verloren hatte, formte aus Papiermaché auf Stein eine Maske von ihrem verstorbenen Mann und hat diese am Ende in meiner Gegenwart in unserem Garten der Erde übergeben. Das hatte sich spontan so ergeben. Auf diese Weise konnte sie sich von ihrem Partner verabschieden. In einem solchen Moment ist es sehr schön, jemanden auf diesem Weg begleiten zu dürfen. Gleichzeitig sind solche Situationen sehr ergreifend und nicht immer einfach.

Wie sieht Ihr Leben neben Ihrer Arbeit am Limmi aus?

Montags und donnerstags bin ich hier im Tageszentrum. Einen weiteren Tag arbeite ich in einem Altersheim als Maltherapeutin und betreibe zudem mein privates Atelier "Freier Ausdruck", in dem ich ebenfalls Kunsttherapie anbiete. Ausserdem bin ich Mitgründerin des Vereins "Treffpunkt Demenz und Kultur". Wir bilden Treffpunkte im öffentlichen Raum für Menschen mit Demenz, im Sinne einer neuen Demenz-Kultur. Eines unserer Angebote, an welchem ich beteiligt bin, findet jeden Freitag in Zusammenarbeit mit dem Museum Rietberg statt, Kunstvermittlung und kreativer Teil inklusive. Alle meine "Standbeine" machen mir riesig Spass.

Und was wünschen Sie dem TZ für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass es hier immer so anders, vielseitig, kreativ, individuell und lebendig bleibt, wie es im Moment ist. Und ich wünsche mir, dass genau diese Dynamik in den viel moderneren Neubau mitgezügelt werden kann.

Frau Studer, ein herzliches Dankeschön für die spannenden und offenen Ausführungen. Für die Zukunft wünschen wir Ihnen und Ihrer Familie alles Gute und vor allem viel Gesundheit.

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