Im Blickpunkt| 18.09.2020

Mit Fixlöhnen gegen Fehlanreize

Seit bald vier Jahren setzt das Spital Limmattal bei der Besoldung seiner Kaderärzte auf Fixlöhne – und macht damit gute Erfahrungen. Mit dieser Lösung ist das LIMMI den kantonalen Absichten einen Schritt voraus.

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Text und Bilder von Flavian Cajacob

Ärztehonorare sorgen regelmässig für Schlagzeilen. Die Rede ist jeweils von "Intransparenz" und "Millionensalären". Mitunter erleben durchaus verdienstvolle Karrieren wegen solcher Berichte ein abruptes Ende – ob in gerechtfertigter Art und Weise oder nicht, bleibe an dieser Stelle dahingestellt.

System und Schlagzeilen

Allzu neu seien die Diskussionen rund um die Ärztelöhne beileibe nicht, sagt Prof. Urs Zingg, Chefarzt Chirurgische Klinik am Spital Limmattal und Mitglied der Spitalleitung. "Schon mein Vater, ebenfalls Arzt, musste sich damit befassen – und das vor über dreissig Jahren, als noch überhaupt nichts reguliert wurde." Natürlich dürfe man Zustände hinterfragen, wenn sie partiell nicht in Ordnung seien, sagt Zingg. Was ihn indes stört, ist die generelle Pauschalisierung in den Medien. "Da werden Ärzte, egal auf welchem Gebiet sie tätig sind, in ein und denselben Topf geworfen. Das ist weder repräsentativ noch fair – gerade gegenüber all jenen nicht, die sich korrekt verhalten, also der absoluten Mehrheit." Sein Kollege Prof. Alain Rudiger, Chefarzt Medizinische Klinik und ebenfalls Mitglied der Spitalleitung, vermisst seinerseits bei aller Kritik die Würdigung der geleisteten Arbeit: "All die Verdienste und die Engagements, sie werden in diesen Berichten meist gänzlich ausser Acht gelassen."

Gerät ein Arzt ins mediale Kreuzfeuer der Kritik, so folgt im Verlaufe der Berichterstattung bald einmal der Verweis auf das gängige System im Spitalwesen, welches mitunter Fehlanreize schafft und sogar Graubereiche zwischen Legalität und Illegalität aufweist, welche der eine oder andere für sich zu nutzen weiss. Der Kanton Zürich will solcherlei Gebaren mit einer Revision des Spitalgesetzes den Riegel schieben. Anfang Juli hat Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli eine entsprechende Vorlage präsentiert, die nun beim Kantonsrat liegt. Quintessenz: Die Lohnsysteme der Zürcher Listenspitäler (24 an der Zahl, darunter auch das Spital Limmattal) dürfen keinerlei Anreize für medizinisch nicht angezeigte Behandlungen schaffen. Zudem wird der Lohn von Ärzten an den kantonalen Spitälern bei einer Million Franken pro Jahr gedeckelt und Zusatzhonorare aus der Behandlung von Privatpatienten sollen künftig vollumfänglich in die Betriebsrechnung der Spitäler fliessen – also nicht in die Honorarpools der jeweiligen Kliniken.

Fehlanreize unterbunden

Am Spital Limmattal sorgt das Vorhaben kaum für Aufregung. Dort ist man längst einen Schritt weiter. "Wir haben bereits Anfang 2017 ein System eingeführt, das losgelöst von Umsätzen funktioniert", bemerkt Spitaldirektor Thomas Brack. Konkret stützt sich dieses auf die zwei Pfeiler "Fixlohn" und "Variabler Anteil" (siehe Kasten). In der Praxis heisst das: "Sämtliche Chefärzte und Leitenden Ärzte erhalten einen Ziellohn, der zwei Prozent unter dem vereinbarten Gesamtlohn liegt. Mit diesen zwei Prozent sowie zusätzlichen drei Prozent der Lohnsumme, die wir als Unternehmen beisteuern, wird ein Betrag generiert, welcher der jeweiligen Klinikleitung zur Verfügung steht, um einmal im Jahr die Verdienste einzelner Mitarbeitenden zusätzlich zu honorieren oder Weiterbildungen zu bezahlen." Der versicherte Fixlohn seinerseits orientiert sich nicht daran, wie viele Fälle ein Arzt in dieser Zeitspanne operiert und behandelt hat. "Das gibt mir als Arzt, aber auch uns als Team und als Klinik eine gewisse Planungssicherheit, besonders in Zeiten wie diesen, in denen alles drunter und drüber geht", so Urs Zingg. Die Erfahrungen, welche das "LIMMI" mit dieser Lösung macht, seien durchwegs positiv, betont Alain Rudiger. "Die Leitplanken sind so weit vorgegeben. Es wird mit gleichen Ellen gemessen und es herrscht Transparenz." Spitaldirektor Brack, der das neue System vor vier Jahren gemeinsam mit Prof. Zingg aufgegleist hat, bezeichnet das Besoldungsmodell als äusserst pragmatisch und nachvollziehbar: "Es unterbindet Fehlanreize von vornherein und verhindert langwierige Diskussionen." Gleichzeitig will er festgehalten wissen, dass die Löhne dadurch nicht gedrückt würden: "Fixlöhne und variabler Anteil sind letztlich sicher kein Instrument, um immens Kosten einzusparen. Das Lohnvolumen ist bei uns im Endeffekt in etwa gleich geblieben."

Kaum Diskussionen

Die Aussicht, durch mehr Leistung auch mehr Geld zu verdienen, kann durchaus motivierend wirken. Und dies in jedem Beruf und auf jeder Stufe. Schreckt ein fixes Gehalt ambitionierte Ärzte vielleicht nicht davon ab, sich in die Dienste des Spitals Limmattal zu stellen? Oder schlimmer noch: Wirkt sich ein Lohndeckel nicht doch auch auf die Qualität der Arbeit aus, so nach dem Motto "Dienst nach Vorschrift"? Alain Rudiger winkt ab: "Manchmal sorgt unsere Regelung für ein wenig Erstaunen, meist aber wird die Klarheit positiv aufgenommen." Bei Einstellungsgesprächen werde in der Regel weit häufiger über die Möglichkeiten von Teilzeitpensen diskutiert als über den Lohn an sich. "Und was das Arbeitsethos anbelangt: Ich kenne keinen Mediziner, der seinem Job nur des Geldes wegen nachgeht!" Sowieso: Die Diskussionen rund um Arzthonorare und -löhne tangieren den Alltag von Brack, Zingg und Rudiger nur marginal. "Es ist ein grosses Thema in den Medien, im persönlichen Umfeld und unter Kollegen bei uns am LIMMI aber weniger", betont Alain Rudiger. Dem kann Urs Zingg nur beipflichten. Gleichzeitig gibt er aber auch zu bedenken, dass die stete mediale Bewirtschaftung sich durchaus im Gedächtnis der Patienten niederschlagen könne. "In der Sprechstunde kommt es ab und zu vor, dass jemand eine Bemerkung fallen lässt, ich würde ja nur aufgrund des Geldes diesen oder jenen Eingriff vornehmen wollen." Zingg schüttelt den Kopf und schmunzelt: "Als Fixlohnbezüger verfüge ich dann jeweils über das unschlagbare Argument, dass ich persönlich finanziell überhaupt nicht davon profitiere, ob und wie ich die Betreffenden operiere."

Richtungsweisend gehandelt

Ob das von der Zürcher Regierung angestrebte System das richtige ist, muss sich nach der Absegnung durch den Kantonsrat und der Implementierung in den Spitalbetrieb erst weisen. "Eigentlich handelt es sich dabei ja nicht wirklich um eine rigorose Abkehr vom System", betont Thomas Brack, "die Gelder fliessen einfach anders und wir haben ein weiteres Reglement mehr." Klar ist: Das Gesetz betrifft in erster Linie die kantonalen und die öffentlichen Spitäler, weniger aber die Belegärzte und die niedergelassenen Ärzte. Deren Honorar orientiert sich in der Regel komplett am Umsatz. Und klar ist auch: Das öffentliche Spital Limmattal hat mit seiner im Kanton einzigartigen Lösung schon vor vier Jahren den Schritt in die richtige Richtung gemacht.

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