Im Blickpunkt| 02.09.2022

Kisten packen für eine neue Ära

Ein halbes Jahr früher als ursprünglich geplant wird das neue Pflegezentrum Spital Limmattal am 17. September 2022 feierlich eröffnet. Im Vorfeld hatten Angehörige die Möglichkeit, sich einen Eindruck zu verschaffen von einer der modernsten Einrichtungen ihrer Art.

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Text: Flavian Cajacob

Weisser Floorliner schützt den nigelnagelneuen Boden vor den harten Schuhen der Arbeiter. Doch eigentlich hat das Spital Limmattal an diesem heissen Nachmittag den roten Teppich ausgerollt für alle Angehörigen, die sich ein Bild machen wollen vom neuen Pflegezentrum, das in den letzten drei Jahren nicht weit von den ebenfalls neu verlegten Gleisen der Limmattalbahn entstanden ist.

Schützende Schale

In kleinen Gruppen werden die Damen und Herren von Isabelle Wilhelm, Leiterin des Pflegezentrums, und Nadia Truog, Projektleiterin Bauprojekte, willkommen geheissen und durch die Räumlichkeiten geführt, in denen ab Ende September über 120 Bewohnende, Patientinnen und Patienten leben, gepflegt, umsorgt – und teilweise auch ihre letzten Tage verbringen – werden. Die Stimmung ist denn auch geprägt von Neugierde und Andacht. Fragen kommen auf, Erkenntnisse setzen ein. Und ein Bedürfnis eint die Teilnehmenden ganz besonders: Ob sie nun ihres Ehepartners, ihrer Eltern, einer Schwester oder einer nahestehenden Person wegen hier sind: Sie wollen sichergehen, dass es ihre Lieben im neuen Pflegezentrum letztlich «gut haben» werden – egal, in welcher Phase des Lebens sie sich gerade befinden.

Umzüge seien ungemein einschneidende Ereignisse, sagt Isabelle Wilhelm denn auch. Insbesondere, wenn es um den Eintritt in ein Pflegeheim gehe. «Dieser Prozess konfrontiert Direktbetroffene wie auch Angehörige immer mit der menschlichen, mit der eigenen Endlichkeit.» Umso wichtiger sei es, im Zuge dessen nicht nur auf den physischen und kognitiven Zustand der Patientinnen und Patienten einzugehen, sondern auch auf den seelischen und psychischen.

Ob Neueintritt oder Dislokation: Die räumliche Umgebung, das Zuhause in mancherlei Hinsicht eben auch, nimmt in diesem Kontext eine zentrale Rolle ein. Die gebaute Hülle soll grundlegende Bedürfnisse von Bewohnenden wie
Mitarbeitenden abdecken und ideale Voraussetzungen schaffen für Versorgung und Pflege, gerade, was die Betreuung, die Sicherheit oder die Arbeitssituation angeht.

Isabelle Wilhelm, Leiterin Pflegezentrum Spital Limmattal

Erfreuliche Umstände und Zahlen

Das neue Pflegezentrum wurde am Standort des alten Spitalhochhauses realisiert. Dem Bauprojekt «LimmiCura» war 2018 eine Volksabstimmung vorangegangen, in deren Rahmen sich die Stimmbevölkerung der zehn Trägergemeinden (Aesch, Birmensdorf, Dietikon, Geroldswil, Oberengstringen, Oetwil a.d.L., Schlieren, Unterengstringen, Urdorf und Weiningen) mit wuchtigen 87 Prozent für den Neubau und den Ersatz des aus dem Jahre 1987 stammenden Gebäudes ausgesprochen hatte. Ein untrügliches Zeichen dafür, dass die breite Bevölkerung die Notwendigkeit eines Pflegezentrums am Standort Schlieren als gegeben erachtet und die damit verknüpften Ansätze von Palliative Care unterstützt.

Am 17. September 2022 erfolgt nun die feierliche Eröffnung des neu erstellten Pflegezentrums Spital Limmattal – ein halbes Jahr früher als ursprünglich geplant. «Der verkürzte Vorlauf hat uns planerisch und logistisch nochmal etwas unter Druck gesetzt», gesteht Isabelle Wilhelm, «trotzdem überwiegt nun natürlich bei allen die Freude, bald in neue, moderne Räumlichkeiten einziehen zu können.» Der Umzug an sich erfolgt direkt im Anschluss an die Eröffnungsfeier und wird zwei bis drei Wochen in Anspruch nehmen. Gerade, was die Arbeitsabläufe des Personals anbelange (oder auf Seite der Bewohnenden die Verweil- und Rückzugsmöglichkeiten), gehe damit eine markante Verbesserung einher. Was gut war, wird indes auch gut bleiben: Gewährleistet nämlich ist auch in Zukunft die direkte Anbindung ans Akutspital, das grosse Plus des Limmattaler Pflegezentrums.

65 Millionen Franken hat der Neubau gekostet, 57 Millionen davon konnte der Spitalverband auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Dies zu erfreulich günstigen Konditionen: War ursprünglich von einem Darlehenszins von 2 Prozent ausgegangen worden, bewegt sich dieser inzwischen bei 0,366 Prozent und einer Laufzeit von acht Jahren.

Erfreuliche Zahlen. Zahlen indes, die für die Teilnehmenden an der rund einstündigen Führung nebensächlich sind. Sie interessieren sich an diesem Nachmittag in erster Linie dafür, in welchem Umfeld sich ihre Angehörigen schon bald bewegen oder aufhalten werden. Während eine Dame die Einbauschränke unter die Lupe nimmt, interessiert sich eine andere für die Fernsehgeräte in den Einzelzimmern und die Tablets an den Betten der Zweierzimmer. Derweil lässt
ein Herr den Blick durch einen der Flure schweifen. Und findet: «Ein bisschen unübersichtlich ist es schon, ich frage mich, wie sich eine ältere Person in all den Gängen zurechtfinden soll.» Nadia Truog, die Projektleiterin Ausführung, kennt diesen Einwand und beschwichtigt: «Wer irgendwo einzieht, muss sich immer zuerst neu orientieren, das ist ganz normal. Verlaufen kann man sich hier aber auf jeden Fall nicht, denn das Gebäude ist vom Grundriss her wie eine Acht aufgebaut. Sie kommen immer wieder zum Ausgangspunkt zurück, egal, wo Sie gerade abgebogen sind.»

Fast wie im Hotel

Mit einem der grossen Fahrstühle geht es ein Stockwerk höher. Der insgesamt fünfgeschossige Neubau ist aufgeteilt in zwei Demenzabteilungen und drei Langzeitpflegestationen. Ausgerichtet ist er auf insgesamt 150 Betten. Viererzimmer wie im Altbau gibt es nicht mehr, sondern 72 Einzelzimmer und 39 Zweierzimmer. Sie verfügen alle über eine eigene Nasszelle.

Bei den Teilnehmenden der Besichtigungstour erntet gerade dieser Aspekt dankbares Kopfnicken. So auch die Tatsache, dass grosse Fensterfronten selbst aus dem Bett einen schönen Blick ins Freie erlauben, die Sonneneinstrahlung indes gebrochen und die Hitzeeinwirkung minimiert wird. Und dann natürlich die Zimmer an sich: Von der Grösse her liessen sich diese sicherlich mit einem Hotelzimmer vergleichen, meint ein Angehöriger, während er die Qualität
der Matratze im Muster-Bett mittels fachmännisch ausgeführten Fingerdrucks testet.

«Den Betrieb nehmen wir vorderhand mit 126 Betten, ausschliesslich in den oberen Stockwerken, auf», erläutert Nadia Truog beim Verlassen des Zimmers. Dies mit gutem Grund, denn: «In den nächsten Monaten finden in direkter Nachbarschaft noch umfangreiche Tiefbauarbeiten statt, die einen geordneten und vor allem einen ruhigen Alltag in der Demenzabteilung im Erdgeschoss nicht gewährleisten würden.»

Im fünften Stock ist in Kooperation mit Zurzach Care AG eine Rehabilitationsstation angesiedelt, welche ihren Betrieb Anfang 2023 aufnehmen wird. Das Tageszentrum zur Entlastung von pflegenden Angehörigen schliesslich befindet sich im Parterre. Hier erhalten die Besuchenden eine individuelle Tagesbetreuung und Aktivierungstherapien. «Was das allgemeine Bedürfnis seitens der Bevölkerung und der Zuweisenden anbelangt, sind wir als Institution gerade im Bereich Tagesbetreuung auf einen Ausbau des Angebots ausgerichtet», erklärt Isabelle Wilhelm.

Geborgenheit und Sicherheit

Anstelle von Balkonen gibt es im Neubau begehbare Innenhöfe und andere Treffpunktmöglichkeiten. Nach Abbruch des alten Pflegezentrums entstehen gemäss Nadia Truog an gleicher Stelle ein geschützter Demenzgarten und eine grosszügige Parklandschaft. Ebenfalls ein Thema, das an diesem Nachmittag von den Angehörigen immer mal wieder angesprochen wird, sind die Wertsachen der Bewohnenden. Hat es einen Tresor im Zimmer? Kommt alles in die Nachttischschublade? Isabelle Wilhelm klärt auf: «Schmuck und Bargeld können zentral am Empfang hinterlegt werden und für die Konsumationen in der Cafeteria gibt es Badges oder Bons.»

Es wird zweifelsohne seine Zeit brauchen, bis sich sowohl Bewohnende als auch Angehörige und Mitarbeitende im neuen Pflegezentrum zurechtfinden werden. Dessen sind sich alle auf dem Rundgang einig. Um diesen Prozess zu beschleunigen, sind viel Einfühlungsvermögen, Toleranz und Erfahrung notwendig. «Etwas, das sowieso für die gesamte Spanne der Pflege Gültigkeit hat», so die «Hausherrin».

Für die Angehörigen, die sich inzwischen im Eingangsbereich für ein kurzes Resümee zusammengefunden haben, ist klar: Mit dem neuen Pflegezentrum hat das Spital Limmattal einen Ort geschaffen, der Geborgenheit und Sicherheit nach modernsten Anforderungen und Erkenntnissen vermittelt. Bloss eines fehle ihm, fügt ein Herr scherzend an: «Ein Genussraum!» Zwar gebe es tatsächlich fast auf jeder Etage einen Raucherraum, doch wer Zigarren bevorzuge, der
wisse, dass man die nicht rauche, sondern eben vielmehr geniesse. Der Herr schmunzelt: «Und darum wäre so ein Genussraum etwas, das ich mir mit Blick auf meine eigene Zukunft hier wünschen würde.»

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