Ratgeber| 23.05.2023

Reflux: Häufig – und häufig nicht kontrolliert

Das Zurücklaufen von saurem oder nicht saurem Magensaft nennt sich «gastro-ösophageale Refluxkrankheit» (GERD). Ein wenig Reflux ist normal, hingegen leidet rund ein Viertel aller Erwachsenen an einem krankhaften Reflux respektive an dessen Symptomen.

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von Prof. Dr. med. Urs Zingg

Ein typisches Anzeichen ist ein brennendes Gefühl im Oberbauch (Sodbrennen) und hinter dem Brustbein, das manchmal bis in den Hals und Mund zieht. Nicht immer sind die Symptome so typisch, zudem kann Reflux ab und an ein Chamäleon sein. Nebst der klassischen Form leiden Betroffene beispielsweise am sogenannten Volumenreflux, bei dem viel Flüssigkeit oder sogar Nahrung «aufstösst». Selbst Symptome, die nicht primär den Magendarmtrakt betreffen, können durch eine GERD verursacht werden. Häufiges Hüsteln kann einem sogenannten atypischen Reflux entsprechen. Symptome im Halsbereich, wie Räusperzwang, Schleimbildung oder ein unangenehmes Fremdkörpergefühl, können Zeichen eines laryngo-pharyngealen Reflux sein. Darüber hinaus können Zwerchfellbrüche ebenso zu Refluxkrankheiten führen. Ausserdem gibt es Krankheitsbilder im Ösophagus, welche zunächst auf eine GERD hinweisen, letztendlich aber ein anderes Leiden darstellen.

Meistens werden die Betroffenen medikamentös behandelt,mit sogenannten Protonenpumpen-Inhibitoren. Diese blockieren die Bildung der Magensäure. Besteht eine GERD, müssen die Tabletten über eine längere Zeit oder lebenslang eingenommen werden. Nebenwirkungen wie Schwindel, Durchfall oder Blähungen können, wenn auch selten, auftreten. Zudem sind bei weitem nicht alle Reflux-Arten mit Medikamenten optimal behandelbar – insbesondere der Volumenreflux oder sich ausserhalb des Magendarmtrakts manifestierende Formen. Eine über Jahre bestehende GERD kann ohne adäquate Behandlung zu einer Veränderung der Schleimhaut in der Speiseröhre führen, welche wiederum das Potenzial hat, sich bösartig zu entwickeln. Entsprechend wichtig ist eine frühzeitige, umfassende
Abklärung der Patientinnen und Patienten.



Bild Rechts: Anteriore (vordere) 180-Grad-Fundoplikatio (Adelaide-Technik). Die aus der sogenannten Magenkuppel (= Magenfundus) gebildete Manschette wird vor der Speiseröhre durchgeführt und mit Nähten am Zwerchfell und an der hinteren rechtsseitigen Wand der Speiseröhre befestigt.

Bild Links: Posteriore (hintere) 270-Grad-Fundoplikatio nach Toupet. Die aus dem Magenfundus gebildete Manschette wird hinter der Speiseröhre herumgeführt und mit Nähten am Zwerchfell sowie rechts und links an der Speiseröhre befestigt.

Nicht immer ist die GERD Ursache der Beschwerden. Grosse Zwerchfellbrüche mit Verlagerung von Magenteilen in den Brustkorb führen zu ähnlichen Symptomen. Krankheiten der Speiseröhre, wie beispielsweise die Achalasie, gehören zu den Differentialdiagnosen. Nicht selten werden wir darüber hinaus mit sogenannten luft-assoziierten Syndromen konfrontiert. Bei diesen Verhaltensänderungen schlucken oder saugen die Erkrankten unnatürlich viel Luft in die Speiseröhre oder den Magen, was manchmal zu refluxähnlichen Symptomen führt.

Zur professionellen Abklärung und Behandlung ist ein Team von Fachpersonen nötig, die eng zusammenarbeiten. Dazu gehören spezialisierte und erfahrene Magendarmärzte und -chirurgen, Hals-Nasen-Ohrenärzte, Ernährungsberater und Schluckspezialisten, wie Logopäden oder Physiotherapeuten. Eine genaue Erhebung der individuellen Symptome mit Einschätzung von Reflux-Art und-Stärke ist der erste Schritt. Die diagnostischen Massnahmen umfassen eine Magenspiegelung, die Entnahme von Gewebeproben, diverse Untersuchungen der Speiseröhrenfunktion, die Messung der Reflux-Menge und laborchemische Untersuchungen. Mit Hilfe der Patienten-Informationen und der apparativen Untersuchungen kann der Reflux oder eine ähnliche Erkrankung diagnostiziert und gemeinsam eine individuelle Therapie festgelegt werden.

Therapieformen: Medikamentöse Therapie
Die Behandlung mit Medikamenten umfasst in erster Linie die Blockade der Säureproduktion im Magen. Auf dem Markt ist eine Vielzahl der im Volksmund oftmals «Säureblocker» genannten Präparate erhältlich. Die medikamentöse Therapie kann mit diversen weiteren Medikamenten, welche auf anderen Ebenen wirken, ausgebaut werden. Generell ist es vertretbar, beim Auftreten von Refluxbeschwerden ohne weitere Abklärungen einen Therapieversuch mit Säureblockern zu machen – allerdings nur während eines Monats. Danach wird das Medikament abgesetzt. Falls die Symptome wieder auftreten, sind weitere Abklärungen notwendig. Eine dauerhafte Einnahme von Protonenpumpen-Inhibitoren, ohne eine Magenspiegelung zu machen, ist nicht ratsam und kann unter Umständen gefährlich werden, da sich hinter den Symptomen durchaus eine Krebserkrankung verstecken kann.

Verhaltenstherapie
Gewisse Symptome, gerade aus dem Formenkreis der luft-assoziierten Syndrome, können mit einer Verhaltens-Schlucktherapie oftmals sehr gut therapiert werden. Dabei werden zuerst spezielle Schluckuntersuchungen und danach eine Art Physiotherapie für das Schlucken durchgeführt, wobei die Patientinnen und Patienten die Übungen im Anschluss sehr gut zu Hause umsetzen können.

Chirurgische Therapie
Neben der medikamentösen Therapie stehen diverse operative Verfahren zur Verfügung. Die Indikation, also der Entscheid für eine Operation, muss sehr sorgfältig und unter Berücksichtigung der Symptomatik, der Vorstellungen der Patientinnen und Patienten, der Untersuchungsergebnisse und dem individuellen Risikoprofil der Betroffenen gestellt werden. Im Refluxzentrum Limmattal wenden wir verschiedene Formen der sogenannten Fundoplikatio an. Bei dieser Operation wird ein kleiner Teil des Magens als Manschette um den schlecht oder nicht mehr funktionierenden Schliessmechanismus zwischen Speiseröhre und Magen gelegt und dieser so verstärkt und unterstützt.

Die Operation erfolgt minimal-invasiv, mit der sogenannten Schlüssellochtechnik. In der Regel ist ein Spitalaufenthalt von zwei Nächten nötig. Die Nachbehandlung umfasst genaue Schemen der Ernährungsberatung, regelmässige Kontrollen im Refluxzentrum (bis zu drei Jahre nach dem Eingriff) sowie mindestens eine Kontroll-Magenspiegelung. Die langfristigen Resultate sind bei den operierten Patientinnen und Patienten sowohl gemäss unseren Erfahrungswerten als auch in der wissenschaftlichen Literatur hervorragend und im Direktvergleich den rein medikamentösen Behandlungen ebenbürtig. Die eingangs erwähnte, sorgfältige Indikationsstellung, viel chirurgisches Know-how und langfristige Nachkontrollen sind dabei entscheidend für den erfolgreichen Verlauf.

In der Presse und im Internet werden eine Vielzahl von alternativen Methoden angepriesen. Faszinierend klingende Methoden wie die Bicorn-Operation oder die Implantation von Magnetbändern oder Plastikwürfeln gehören dazu. All diesen Methoden ist gemeinsam, dass keine Langzeitergebnisse verfügbar sind oder dass sie in einer ähnlichen Art bereits vor Jahrzehnten erfolglos durchgeführt wurden. Sie können sogar zu relevanten Problemen führen. Für unsere Patientinnen und Patienten ist eine individualisierte, bewährte Methode mit langfristigen guten Resultaten wichtig. Betroffene, denen in einer nicht spezialisierten Abteilung zu einer Operation geraten wird, tun allenfalls gut daran, eine Zweitmeinung einzuholen.

Im Refluxzentrum laufen die Prozesse auf allen patientenrelevanten Ebenen durch die sehr enge Zusammenarbeit der involvierten Fachdisziplinen optimal. Wir behandeln jährlich 450 bis 500 erkrankte Personen. Circa ein Fünftel davon wird operativ versorgt, entsprechend gross sind Erfahrung und Expertise unseres Behandlungsteams.

Für die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen bieten wir einen vollumfänglichen Service, beraten hingegen auch Betroffene, welche sich direkt bei uns melden.

Dieser Artikel wurde am 16. Mai 2023 in der Limmattaler Zeitung publiziert.

Autor
Prof. Dr. med. Urs Zingg
Chefarzt für Allgemein-, Gefäss- & Viszeralchirurgie, Leiter Refluxzentrum

Refluxzentrum Limmattal
Urdorferstrasse 100
8952 Schlieren

+41 44 733 21 26

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