Im Blickpunkt| 03.09.2024

Wer wirtschaftlich denkt, denkt auch ökologisch

Ökologie und Nachhaltigkeit spielen auch im Spital Limmattal eine zentrale Rolle. Claudia Bossart, Leiterin Betriebe, führt auf einem Rundgang durch das LIMMI anhand praktischer Beispiele vor Augen, wie der Spagat zwischen Versorgungssicherheit und ökologischem Fussabdruck im Spitalalltag gelingt.

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Text: Flavian Cajacob / Bilder: Michele Limina

Nicht immer wird uns das, was einen Kreislauf in Schwung hält, auf den ersten Blick ersichtlich. Weil es im Verborgenen wirkt, weil es versteckt ist. Gleichermassen unsichtbar wie unablässig beispielsweise schlägt ein Herz und ermöglicht damit Leben, derweil unsere auf Technik und Technologie beruhende Umgebung einzig und allein deshalb funktioniert, weil sie von Energie angetrieben wird, die das menschliche Auge nicht wahrzunehmen im Stande ist. In der Medizin verhält es sich dahingehend also nicht anders als in ökologischen Belangen.

Alternative Energiequellen
Einer der bislang wenigen schönen Tage im Sommer 2024. Im Spital Limmattal fährt Claudia Bossart mit dem Lift hoch in den dritten Stock. Ihr Ziel: Die Dachterrasse vor dem Pflegezentrum. «Was denken Sie, wie sieht es dort aus?», fragt sie. Dachziegel wird es haben, geht der Gedanke; Steine oder Sträucher vielleicht auch. Bossart zückt einen mächtigen Schlüsselbund, rasch ist die Türe zur kleinen Terrasse geöffnet. Hinter dem Geländer erstreckt sich
im gleissenden Sonnenlicht eine weite Dachlandschaft, die gespickt ist mit zahlreichen Solarzellen. Schwarz sind diese und vom Strassenraum aus nicht sichtbar. «Rund tausend Module haben wir auf dem Akutspital und dem Pflegezentrum installiert», sagt sie, «mit der Fotovoltaikanlage lassen sich fünf Prozent des gesamten Strombedarfs des Spitals abdecken.» Hinzu kommen über hundert Erdsonden, welche Wärme aus einer Tiefe von gut 170 Metern
an die Oberfläche leiten. Alternative Energie also als Teil des Kreislaufs, der das LIMMI in Schwung hält: unablässig, unsichtbar.

Claudia Bossart ist Mitglied der Spitalleitung und steht als Leiterin Departement lV dem Bereich Betriebe vor. In dieser Funktion zeichnet die 58-Jährige unter anderem verantwortlich für all jene Bemühungen, die das LIMMI auf seinem Weg in Richtung von noch mehr Nachhaltigkeit anstellt. «Für ein Spital wie das unsrige sind CO2-Reduktion, Kreislaufwirtschaft und Ökobilanz eine ganz spezielle Herausforderung. Denn wenngleich wir unseren Umwelt-Fussabdruck verkleinern wollen, so muss trotzdem an erster Stelle immer das Wohl der Patientinnen und Patienten stehen.» Anders als vielleicht in einem kleinen Produktionsbetrieb oder einem Dienstleistungsunternehmen
mag es im Spital keine Versuche mit offenem Ergebnis leiden. «Ein Spital ist kein Ort für Experimente», stellt Bossart klar.

«Für ein Spital wie das unsrige sind CO2-Reduktion, Kreislaufwirtschaft und Ökobilanz eine ganz spezielle Herausforderung.»

Das Spital Limmattal verfolgt im Spannungsfeld von Versorgungssicherheit und Umweltschutz einen explizit pragmatischen Ansatz, der sich an der Sinnhaftigkeit orientiert. Massnahmen, welche den CO2-Ausstoss
reduzieren, werden dort ergriffen, wo sie praktikabel und sinnvoll sind, keine Mehrkosten verursachen und – vor allem – keine Eventualitäten zulassen. «Die Menschen kommen schliesslich nicht zu uns, um Teil eines Pilotversuchs zu sein, sondern weil sie gesund werden oder umsorgt sein wollen», so bringt es Claudia Bossart auf den Punkt. Insofern könnten Spitäler und Pflegezentren per se nie Vorreiterinnen sein in Sachen Ökologie.

Was im Umkehrschluss jedoch nicht bedeutet, dass man der Nachhaltigkeit am Spital Limmattal nicht die gebotene Aufmerksamkeit zukommen lässt. «Ökologische Belange sind heutzutage so selbstverständlich Teil der Unternehmensphilosophie, wie es die Führungskultur, die Personalpolitik oder die Finanzen auch sind», führt Claudia Bossart aus, verweist auf diverse Zertifikate und zückt eine Broschüre. Im kürzlich erstellten Nachhaltigkeitsbericht sind sämtliche Massnahmen aufgelistet, die der Spitalverband Limmattal ergreift, um heute wie morgen möglichst nachhaltig zu agieren.

Fotovoltaikanlage auf dem Dach des Pflegezentrums

Trotz der langen und detaillierten Liste an erfassten Massnahmen, Bekenntnissen, Beispielen und Bemühungen – das Erstellen des Nachhaltigkeitsbericht sei alles andere als eine Hexerei gewesen, sagt Claudia Bossart und fährt mit dem Zeigfinger über den Massnahmenkatalog. «All das, was hier festgehalten ist, wird von uns schon seit Jahren ganz selbstverständlich praktiziert – auf sozialer, medizinischer und wirtschaftlicher Ebene genauso wie eben auch in ökologischer Hinsicht. Nachhaltigkeit ist in unserer DNA verankert.»

Versorgungssicherheit an erster Stelle
Verschiedene Studien sind in den letzten Jahren zum Schluss gekommen, dass das Gesundheitswesen in der Schweiz für 5 bis 12 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich zeichnet. Die Studie «Green Hospital» beispielsweise, die unter Federführung der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften entstanden ist, geht davon aus, dass ein Grossteil der Spitäler – konkret 50 Prozent – die Emissionen um die Hälfte vermindern könnte, ohne eine Leistungseinbusse in Kauf nehmen zu müssen. Im Ranking der Umweltbelastung durch das Konsumverhalten belegt die Gesundheit darüber hinaus hinter der Ernährung, der Mobilität und dem Wohnen Platz 4. Potenzial und Handlungsbedarf also sind durchaus gegeben, gleichzeitig weisen medizinische Versorgung und Pflege eine immense Komplexität auf, welche in der Regel keine standardisierten Nullachtfünfzehn-Lösungen
zulässt.

Hinter dem weitläufigen Spitalgelände rauscht das Tram der Linie 20 vorbei. Mit dem Anschluss ans Netz der Limmattalbahn konnte die Erreichbarkeit durch den öffentlichen Verkehr weiter verbessert werden. Claudia Bossart führt uns an einem auf Biodiversität ausgerichteten Bord und einem künstlich angelegten Teich vorbei zum Rettungsdienst. Zwei der insgesamt sechs Rettungswagen und die beiden Notarztein satzfahrzeuge stehen in der Garage bereit,
um bei Bedarf ebenfalls auszurücken. Während die Ambulanzfahrzeuge nach Aufwiegen von Pro und Contra weiterhin über einen herkömmlichen Antrieb verfügen, werden die Fahrzeuge der Notärzte elektrisch
betrieben. «Die ständige Verfügbarkeit ist das A und O. Also muss dafür gesorgt sein, dass die Akkus immer geladen sind», erklärt sie. Das lässt sich bei den PWs besser und schneller bewerkstelligen als bei den grossen Rettungswagen mit ihrem mannigfaltigen und elektrisch gespiesenen Equipment. Deshalb wird die Elektrifizierung des Fahrzeugparks im LIMMI vorderhand bei den Notarzteinsatzfahrzeuge vorangetrieben. Sicherheit geht auch hier vor.

«Die kleinen Details sind auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit genauso wichtig wie die grossen Hebel.»

Notarzteinsatzfahrzeug an der Ladestation

Wir dislozieren ins Hauptgebäude. Geht es um den ökologischen Fussabdruck, müssen auch Ernährung und Verpflegung zwingend mit einberechnet werden. Fleisch und Gemüse, Verarbeitung und Anlieferung, sie
fliessen ein in die Ökobilanz. Im Restaurant wie auf den Zimmern des Spitals Limmattal gelangt ein individuelles Menüwahlsystem zur Anwendung, bei dem die Gäste nur so viel bestellen oder schöpfen, wie sie auch
wirklich zu essen vermögen. Diese grundlegende und einfach umsetzbare Massnahme hilft dabei, Foodwaste zu vermeiden. Fallen trotzdem Speisereste an, gehen diese zusammen mit den Küchenabfällen in eine
Biogasanlage, wo sie in Ökostrom umgewandelt werden. Aus Abfall wird Energie. Was die Beschaffung der einzelnen Produkte anbelangt, so werden explizit Zulieferer berücksichtigt, die nah und saisonal produzieren,
möglichst wenig Verpackungsmaterial verbrauchen oder strikt auf ökologisch zertifizierte Rohstoffe setzen, beispielsweise Getreide aus IP-SUISSE-Anbau. Eine Bündelung der Bestellungen senkt zudem den Lieferaufwand und damit den CO2-Ausstoss. «Die kleinen Details sind auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit genauso wichtig wie die grossen Hebel», bemerkt Claudia Bossart und führt uns in die Mitte des Restaurants, zu einer Reihe Gläser und einem
Wasserhahn.

Auch beim Flüssigkeitshaushalt verfolgt das LIMMI einen pragmatischen Ansatz. Natürlich sei Wasser vom Hahn ökologisch sinnvoller als solches aus der PET-Flasche, führt Claudia Bossart aus. Doch allein schon aufgrund der Hygienebestimmungen erweise sich der Offenausschank in den Zimmern als nicht praktikabel. Also würden im Regelfall weiterhin wiederverschliessbare Plastik-Flaschen auf die Tische der Patientinnen und Patienten gestellt. Anders hingegen sieht es bei der Abgabe an die Mitarbeitenden aus. Diese haben allesamt gratis eine Glasflasche erhalten, die mit Leitungs- oder Sprudelwasser aufgefüllt werden kann. Sie tippt an den Wasserhahn.

«Hier im Restaurant, an einer zentralen Station. Hätten wir auf jedem Stockwerk eine Nachfüllmöglichkeit installiert, wäre dies mit baulichem Mehraufwand und zusätzlichen betrieblichen Unterhaltskosten verbunden
gewesen und ergo auch nicht wirklich nachhaltig.»

Jede einzelne Massnahme, die einen ökologischen Mehrwert generieren soll, löst denn auch eine ganze Reihe an Begleiterscheinungen aus. «Man muss immer alle Aspekte im Auge behalten und die gesamte Kette berücksichtigen,
von der die Nachhaltigkeit ein Teil ist.» Die von der Chefin Betrieb angesprochene Kette reicht denn weit über das eigene Haus, das Spital Limmattal, hinaus. Mit dem Lift geht es hinunter ins Untergeschoss, wo die Ökonomieräume untergebracht sind. Container warten darauf, mit Müll – strikt getrennt! – gefüttert zu werden. Reststoffe und medizinische Abfälle werden gesondert entsorgt. Eine grosse Presse verdichtet den Hauskehricht.

1,7 Tonnen schmutzige Wäsche fallen im LIMMI täglich an. Gewaschen wird diese von einem externen Betrieb. «Natürlich müssen wir auch hier auf den Preis schauen », erklärt Claudia Bossart. «Aber genauso wichtig ist der Umstand, dass die Wäscherei in grösstmöglicher Nähe zu uns liegt, weil zweimal täglich geliefert und abgeholt werden muss, da kommt also einiges an Fahrten und Kilometern zusammen.» Zudem sind sowohl Spital wie Wäscherei darauf aus, dass ökologisch unbedenkliche Waschmittel zur Anwendung gelangen und zurückhaltend mit dem Wasser- und Energieverbrauch umgegangen wird.

Strikte Trennung bei der Entsorgung

«Wer unternehmerisch und wirtschaftlich denkt, denkt heutzutage auch ökologisch. Das eine geht nicht mehr ohne das andere.»

Wir sind auf unserem Rundgang wieder beim Eingang angelangt. Vieles, was das LIMMI in Sachen Kreislaufwirtschaft und Ökologie angeht, wurde schon vor vielen Jahren aufgegleist. Einiges hingegen hat einen direkten Zusammenhang mit dem Neubau von Akutspital und Pflegezentrum vor sechs respektive zwei Jahren. Die nach Minergie-Standard erstellten Gebäude beispielsweise weisen eine hochwertige Hülle auf, verfügen über einen überdurchschnittlichen Hitzeschutz und ermöglichen einen kontrollierten Luftwechsel. «Nachhaltigkeit ist eine ganze Reihe von Massnahmen, die im Kleinen wie im Grossen wirksam sind, sichtbar oder unsichtbar – jeder einzelne Beitrag ist wichtig», sagt Claudia Bossart, packt ihren grossen Schlüsselbund ein und verabschiedet sich. Für sie, die seit drei Jahrzehnten im Spital Limmattal tätig ist, ist denn auch klar: «Wer unternehmerisch und wirtschaftlich denkt, denkt heutzutage auch ökologisch. Das eine geht nicht mehr ohne das andere.»

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